Einleitung
Der Mediendiskurs lässt sich heutzutage als Interdiskurs auffassen (Jäger/Jäger 2007: 28.). Seine nicht-wissenschaftlichen Texte werden als Ideologie-Sphäre im Sinne von M. Pecheux angesehen, wo die Realität der gesellschaftlichen Probleme sprachlich und außersprachlich realisiert und repräsentiert werden kann (Spieß, Constanze 2011: 126f.). So können kollektive, öffentliche Meinungen über routinierte soziale Ereignisse als Bilder in den Köpfen des Journalisten und zugleich als Bilder der politischen und gesellschaftlichen Praxis verstanden werden. (W. Lippmann 1922: 3.)
Darauf basierend liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags auf die Repräsentation der algerischen Hirak-Bewegung gegen das 20 Jahre dauernde politische Regime des algerischen Präsidenten Abdelaziz Boutaflika in den deutschen Zeitungen. In diesem diskursiven Raum werden bestimmte sprachökonomische Strukturen bei der Repräsentation der algerischen Protestbewegung als politisch-gesellschaftliches Thema gebraucht. Diese sprachökonomischen Strukturen, die sich bekanntlich auf der stilistischen Ebene als textinterne Eigenschaft der Zeitungstexte als Produkt der Presse manifestieren, tauchen als Muster von syntaktischen Normabweichungen auf. Die bewussten ritualisierten Abweichungen von der Materialität des deutschen Satzes fungieren im Sinne von L. Wittgenstein als eine Art des Sprachspiels (Metzler Lexikon Sprache 2016: 279.). Dazu gehören vor allem die elliptischen Satzkonstruktionen.
Anhand der in den deutschen Zeitungstexten realisierten elliptischen Sätze zum Thema „Hirak-Bewegung in Algerien“, welche das Spiel mit der Konventionalität des deutschen Satzes beschreiben können, zielt der vorliegende Beitrag ebenfalls auf die Abbildung der außersprachlichen Wirklichkeit über das reale Ereignis der „algerischen Volksbewegung“ in der folgenden Zeitungen, „Die Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“, „Der Spiegel“ und „Die FAZ“ als diskursiver Raum vom 22. Februar 2019 bis zum Rücktritt des Präsidenten Abdelaziz Boutaflika am 04. April 2019 ab. Diese immaterielle Seite zum Beispiel Sätze mit elliptischen Formulierungen beruht auf den kollektiven Vorstellungen und mentalen Bildern über die algerische Hirak-Bewegung. Davon ausgehend kreist der Beitrag um die folgenden Fragestellungen:
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Wie lässt sich der Begriff „Ellipse“ als sprachliches und diskursives Spielelement definieren?
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Welches sind die Verwendungsweisen der elliptischen Sätze in der deutschen Pressesprache angesichts des oben genannten Kontexts?
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Wie wird die algerische Protestbewegung im Spiegel der deutschen Presse anhand elliptischer Sätze als abweichende Satzstrukturregel repräsentiert und bewertet?
1. Zum Begriff der Ellipse
Die Syntax der deutschen Sprache kann aufgrund der gebotenen Kürze zwangläufig reduziert werden: Hypotaxen tauchen praktisch nicht auf, es dominieren einfache Aussagesätze und elliptische Satzmuster treten besonders in hoher Frequenz auf, die durch das Weglassen aller nicht Verständnis konstitutiven Morpheme hervorgerufen sind (Lüger, Heinz-Helmut 1995: 28f.).
Davon ausgehend ist festzustellen, dass für die Bildung von Sätzen in der deutschen Sprache vor allem bestimmte syntaktische Regelsysteme im Vordergrund stehen, von denen im journalistischen Sprachgebrauch aufgrund der Intentionen von Journalisten abgewichen werden kann. Jeder Verstoß gegen die Satzbaunormen oder gegen die kanonisierten Konventionen von Satzstruktur in der Pressesprache ist der stilistische Gewinn der Journalisten (Fix 2007: 146.). Bei dieser Form von bewusstem oder gewollte ritualisiertem Bruch von sprachlichen Normen handelt es sich nach K. D. Kiel um eine Art vom Sprachspiel (Kiel, Klaus Detering 1983: 219-227.).
Zeitungstexte als Textsorte können im diskurslinguistischen Kontext als Erweiterung textlinguistischer Forschung anhand bestimmter prototypischer Merkmale, nämlich textinterne- und textexterne Kriterien produziert, zugeordnet und abgegrenzt sowie rekonstruiert werden. Im Hinblick darauf sind die elliptischen Satzkonstruktionen im journalistischen Sprachgebrauch an die Oberflächenstruktur der Zeitungstexte gebunden (De Beaugrande/Dressler 1981: 51.).
Im Folgenden stellt der vorliegende Beitrag einige terminologische Klärungen des Begriffs „Ellipse“ dar:
Zunächst einmal wird die allgemeine Bedeutung des Wortes „Ellipse“ im Metzler Lexikon Sprache wie folgt beschrieben:
„Ellipse“ f. (griech. (elleipis) Mangel auch: Auslassung). Nicht realisierte, aber verstehensrelevante sprachliche Einheit. Als E. (Ellipse) werden einerseits die ausgesparten sprach. Einheiten selbst bezeichnet, aber auch die Äußerungsteile, in denen diese fehlen (ellipt. Äußerung).“(Metzler Lexikon Sprache 2016:199.)
Im syntaktischen Hinblick wird in Duden-die Grammatik folgendes angedeutet:
„Elliptische Äußerungen sind nicht in diesem Sinne unvollständig, dass man sie eigentlich vervollständigen musste. Auslassung ist hier viel mehr in einem logischen Sinn zu verstehen: Die Form und die Bedeutung elliptischer Strukturen lassen sich am besten verstehen, wenn man sie auf ausformulierte Satzstrukturen bezieht. Man repariert dann nicht, sondern führt im Grunde eine Erweiterungsprobe aus. In vielen Situationen würden denn auch ausgebaute Sätze künstlich wirken.“(Duden. Die Grammatik 2009: 898.)
Darüber hinaus legt das ikonische Quantitätsprinzip ebenfalls im journalistischen Sprachgebrauch bzw. im Langage der Presse besonders nahe, dass zum Ausdruck von weniger Bedeutung eine geringere sprachliche Form verwendet wird. Somit können die elliptischen Sätze in den Zeitungstexten zur Vermeidung der Wiederholung von Informationen gebraucht werden (Pörings, Ralf/ Schmitz, Ulrich 2003: 13.). Die elliptischen Satzkonstruktionen gehören zu den kohäsiven Mitteln“ (De Beaugrande/ Dressler 1981: 51.). Das heißt, dass die elliptischen Formulierungen vorgelegt werden können, nur wenn bestimmte Satzglieder oder Satzelemente, wie Subjekt, Prädikat …usw. auf der Oberflächenstruktur eines Satzes im Text fehlen. Daher definieren De Beaugrande/ Dressler (1981: 51.) die Ellipse als Wiederholung von Inhalt und Struktur bei Auslassung einiger Oberflächenelemente. Ergänzend können nach Hoffman die elliptischen Konstruktionen, „in denen solche Elemente einer Äußerung weggelassen werden, die aufgrund der Sprechsituation und aufgrund vom Weltwissen ergänzt werden können“(Hoffmann 1999: 83.).
In diesem Sinne ist in erster Linie hervorzuheben, dass die Bedeutung der sogenannten elliptischen Ausdrücke in Bezug auf das Weltwissen als relevantes Kenntnissystem neben dem Sprachwissen des Textrezipienten verstanden und analysiert werden kann, d. h. der Rezipient soll Kenntnis über das System der betreffenden Sprache und dessen sprachlichen Gebrauch haben (Heinemann/ Heinemann 2002: 125; Viehweger, Dieter 1991: 11.).
2. Die Erscheinungsformen elliptischer Satzkonstruktionen in den deutschen Zeitungstexten
Der vorliegende Beitrag beschreibt die elliptischen Satzkonstruktionen als kohäsive Mittel. Im Folgenden werden einige Erscheinungsformen von elliptischen Sätzen aus der grammatischen und syntaktischen sowie pragmatischen Perspektive dargestellt, die häufig in dem zusammengestellten deutschen Textkorpus aus Tages- oder Wochenzeitungen, etwa „Die Süddeutsche Zeitung“, „Die Zeit“, „Der Spiegel“, „Die Welt“ und „FAZ“ als diskursiver Raum zum Thema der „Hirak-Bewegung in Algerien vom 22. 02. 2019 bis zum 04. 04. 2019 vorkommen.
2.1 Koordinationsellipsen
Als Koordinationsellipse bezeichnet man die Auslassung der identischen Teile innerhalb der Koordination. In diesem Sinne können die identischen Satzelemente, wie das Subjekt und Prädikat als Satzglieder entweder bei erstem oder bei zweitem Vorkommen getilgt werden, d.h. bei einer Koordinationsreduktion wird eine Satzreihe vorgelegt, wo häufig zwei Hauptsätze durch einen Konjunktor koordiniert werden (Pafel, Jürgen 2011: 93-95.).
Beispiele:
1. „Die Demonstranten riefen „nein zum Polizeistaat“ und „Boutaflika raus“. (Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. 03. 2019)
2. „Neue Massenproteste in Algerien haben den Druck auf den altenschwachen Präsident Abdelaziz Boutaflika und die Führung des Landes weiter erhöht. auch am Freitag zogen nach dem Mittagsgebet Schätzungen zufolge Zehntausende gegen Boutaflika auf die Straße.“ (Die Spiegel-Online. 8.3.2019)
In den Beispielsätzen (1), (2) handelt es sich im grammatischen und syntaktischen Kontext um die sog. Vorwärtsellipse als Untertyp der Koordinationsellipse, wo die Tilgung im zweiten Konjunkt erfolgt wird. In diesem Fall wird nicht nur der Aktant (Subjekt), sondern auch das Prädikat bzw. das finite Vollverb unter Koordinationsbedingung ausgelassen. Die Tiefenstrukturen der Beispielsätze sind:
(1.a) „Die Demonstranten riefen „nein zum Polizeistaat“ und (die Demonstranten riefen) „Boutaflika raus“.
(2.a) „Neue Massenproteste in Algerien haben den Druck auf den altenschwachen Präsident Abdelaziz Boutaflika und (Neue Massenproteste in Algerien haben) die Führung des Landes weiter erhöht. Auch am Freitag zogen (Neue Massenproteste in Algerien) nach dem Mittagsgebet Schätzungen zufolge Zehntausende gegen Boutaflika auf die Straße.“
2.2. Die Strukturellipsen
Die Struktur-Ellipse ergibt sich ebenfalls aus der Reduktion grammatischer Konstruktionselemente, wie Ellipse der Präposition, Ellipse des Kopulaverbs und Ellipse des Vollverbs (Gansel/Jürgens 2007: 185).
Ein Beispiel über Ellipse des Kopulaverbs bietet die folgende Formulierung:
3. „Die Proteste richten sich gegen den seit 20 Jahren amtierenden Präsidenten Abdelasis Boutaflika. „Das algerische Regime ist eine Mafia, eine kriminelle,korrupte Gang, die unser Land geplündert hat“. Sagt Zitout.“ (Die Welt. 31.3. 2019.)
Im Beispiel (3) wird nicht nur das Kopulaverb „sein“, sondern auch das Subjekt ausgelassen und eingespart, um die Wiederholung der Struktur und des Inhalts zu vermeiden. Die Tiefenstruktur des erwähnten Beispielsatzes lautet wie folgt:
(3.a) “Die Proteste richten sich gegen den seit 20 Jahren amtierenden Präsidenten Abdelasis Boutaflika. „Das algerische Regime ist eine Mafia, (Das algerische Regime ist) eine kriminelle, (Das algerische Regime ist) korrupte Gang, die unser Land geplündert hat“. Sagt Zitout.“
Ein Beispiel über die Ellipse des Vollverbs ist:
4. „Der altersschwache Präsident Boutaflika steht für ein erstarrtes System, für Willkür und Korruption.“ (Die Süddeutsche Zeitung. 12. 3. 2019)
Im Beispielsatz (4) wird das Vollverb „stehen“ ausgelassen. Die Tiefenstruktur des erwähnten Belegs ist:
(4 a) „Der altersschwache Präsident Boutaflika steht für ein erstarrtes System, (Der altersschwache Präsident Boutaflika steht) für Willkür und (der altersschwache Präsident Boutaflika steht für) Korruption.“
2.3 Besondere Fälle der Einsparung
Der vorliegende Beitrag präsentiert ebenfalls andere Fälle der Auslassungen oder Einsparung in den geschrieben Texten, wie die Auslassung des Subjekts und des unpersönlichen Subjekts „es“.
Beispiele:
5. „Abdelaziz Boutaflika regiert Algerien seit 20 Jahren, ist 82 Jahre alt und schwer krank.“ (Die Zeit-Online. 22.03.2019)
6. „Noch 2011 hatte Boutaflika auf die Proteste des Arabischen Frühlings reagiert, indem er Gehälter erhöhte und versuchte, über Intensivierungs-programme Arbeitsplätze zu schaffen.“ (Die Süddeutsche Zeitung. 11. 3. 2019)
7. „Ein Sieg der Jugend: Boutaflika kandidiert nicht mehr.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. 03. 2019)
8. „Eine Zumutung, dass die Jugend in dem seit 1999 herrschenden „Boutef“ den Mann sehen sollte.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. 03. 2019)
Die Tiefenstruktur der erwähnten Beispielsätze lautet:
(5.a) „Abdelaziz Boutaflika regiert Algerien seit 20 Jahren, (Abdelaziz Boutaflika) ist 82 Jahre alt und (Abdelaziz Boutaflika ist) schwer krank.“
(6.a) „Noch 2011 hatte Boutaflika auf die Proteste des Arabischen Frühlings reagiert, indem er Gehälter erhöhte und (Boutaflika) versuchte, über Intensivierung programme Arbeitsplätze zu schaffen.“
(7.a) „(Es ist) Ein Sieg der Jugend: Boutaflika kandidiert nicht mehr.“
(8.a) „(Es ist) Eine Zumutung, dass die Jugend in dem seit 1999 herrschenden „Boutef“ den Mann sehen sollte.“
Für die Darstellung und Repräsentation des algerischen Hirak und das politische System von Abdelaziz Boutaflika soll zunächst einmal die Inhaltsseite bzw. die immaterielle Seite der erwähnten elliptischen Sätze dargestellt werden:
3. Die außersprachliche Realisierung des algerischen Hirak durch elliptische Sätze
Die deutsche Sprache hat eine soziale und kognitive Dimension und fungiert als ein relevantes Kommunikationsmittel im gesellschaftlichen und institutionellen Kontext. So nehmen die Zeichenbenutzer immer Bezugnahme auf die Welt, tauschen ihre Gedanken aus, drücken ihre Gefühle und Wünsche aus, ermitteln Informationen über Sachverhalte, bilden Meinungen über Gegenstände, produzieren soziale Kontakte und greifen kognitiv und verwenden bestimmte sprachliche Ausdrucksmittel bei der geistigen Verarbeitung sozialer Probleme. So wird die Umwelt nicht nur nach Sprache benannt: Die Sprachbenutzer schaffen ebenfalls mit der Sprache ihre Welt, weil sprachliche Äußerungen für die Aktivierung und Formung von Wahrnehmungen sowie für die Konzeptualisierung als geistige Vorstellungen über die Gegenstände, Menschengruppen oder soziale Ereignisse gebraucht werden können (Schwarz, Friesel 2013: 145.). Zu diesem Gedankengang führt Gardt (2007b.: 263.) im Kontext der Anwesenheit des konstruktivistischen und realistischen Denkens innerhalb der Sprachtheorie ebenfalls aus, dass
„ Sprache eine konstitutive Rolle bei der geistigen Einschließung der Welt erkennt. Nach diesen Auffassungen bilden Wörter und Sätze nicht einfach eine außersprachliche existierende -und von uns sprachfrei, objektiv erkannte- Realität ab (…), sondern sie prägen ganz entscheidend die Art und Weise, wie die Realität erfassen und intellektuell verarbeiten.“ (Gardt 2007b.: 263.)
Von diesen Annahmen ausgehend richtet sich der vorhandene Beitrag auf die Auslegung der Inhaltsseite elliptischer Sätze in der Pressesprache als „funktionale Varietät“(Hoffman, Michael 2007: 32f.). Unabhängig von der Beschreibung der elliptischen Satzkonstruktionen als Musterbruch der Strukturregeln des deutschen Satzes hebt der vorliegende Beitrag folgendes hervor:
Die Ausdruckseite (Signifikant nach Saussure) der elliptischen Sätze als sprachliche Zeichen erwecken Bedeutungen (Signifikaten nach Saussure). Diese hervorrufenden Bedeutungen haben Bezugnahme auf die außersprachlichen Entitäten, wie Objekte und Ereignisse (Ziem, Alexander/ Fritsche, Björn 2018: 254.). Daher fungiert die Ausdrucksseite der elliptischen Sätze als Repräsentant der Referenzobjekte, die nach Wimmer (1979) „mit realweltlichen, extramentalen Korrelaten unserer Wahrnehmungswelt“ korrespondieren (Ziem, Alexander/ Fritsche, Björn 2018: 254.).
Aus dieser konstruktivistischen Sicht der kognitiven Linguistik lässt sich ergeben, dass die immaterielle Seite der elliptischen Sätze als Auslöser für die Bildung und Konstitution von mentalen Modellen dienen, mit denen Sachverhalte, Ereignisse simuliert werden können (Ziem, Alexander/ Fritsche, Björn 2018: 255.). Dabei beruhen die hervorrufenden mentalen Modelle auf den Vorstellungen und Meinungen, insbesondere auf den (sinnlichen) Wahrnehmungen von sprechenden Individuen, die durch Beobachtung der realen Welt und Erfahrung in der realen Welt entstehen werden (Ziem, Alexander 2008: 288f; Vgl.: Busse, Dietrich 2012: 16f.). Zu diesem Hintergrund können die Sätze mit elliptischen Formulierungen zur Evokation von Framen über die reale Wirklichkeit (Gegenstände, soziale Ereignisse) gebraucht werden. Die hervorrufenden Framen bzw. Rahmen entsprechen dem kognitiven Akt der Referentialisierung (Ziem 2008: 288f; Busse 2012: 16f; Ziem, Alexander/ Fritsche, Björn 2018: 255; Metzler Lexikon Sprache 2016: 208.). Aus diesem Artikulationsprozess ergeben sich zugleich sprachliche Bedeutungen (Busse, Dietrich 2009: 85.), die auf ein Spielprinzip angewiesen sind.
In diesem Rahmen stellt der Beitrag präziser dar, dass anhand der elliptischen Sätze das Phänomen des algerischen Hirak als routiniertes Ereignis seit 22. Februar 2019 sprachlich und außersprachlich repräsentiert und abgebildet werden kann. Die elliptischen Sätze können dabei als sprachliche Mittel zur „Formung von gesamt-gesellschaftlich relevanten Wissensbeständen“ beitragen (Ekkehard Felder 2008: 270.). So wird die außersprachliche Realität konstituiert (Gardt 2007b: 263.).
Elliptische Sätze können als sprachliche Mittel zur verbalen Realisierung einer Bewertung auf syntaktischer Ebene verwendet werden (Walizewska, Karolina 2016: 105.). Jenes sprachliche Bewerten fungiert im Bereich der Funktionalen Pragmatik als sprachliches Handeln und stellt den illokutiven Akt der elliptischen Sätze dar, die den Rezipienten zum Handeln bringen (Walizewska, Karolina 2016: 65.). Daher können die kollektiven Wahrnehmungen der deutschen Presse bei der Repräsentation des algerischen Hirak gegen Boutaflikas politisches System eine evaluierende Argumentationsfunktion übernehmen. In Bezug darauf soll im Kontext der linguistischen Pragmatik besonders hervorgehoben werden, dass die elliptischen Sätze im journalistischen Sprachgebrauch als sprachökonomische Mittel für die spielerische Realisierung des sprachlichen Handlungsmusters „Persuasion“ gebraucht werden können (Mann, Elke 2000: 62-110.). Das sprachliche Handlungsmuster „Persuasion“ kann im Sinne von L. Wittgenstein zur Konstitution und Formung des Sprachspiels dienen (Mann, Elke 2000: 62-110.).
Durch elliptische Sätzen verfolgen die deutschen Journalisten als Textproduzenten das Ziel, den Rezipienten zum Handeln bringen, insbesondere zu einer positiven oder negativen Handlung zu veranlassen (Mann, Elke 2000: 62-110; Schwarz-Friesel 2008: 13.). In diesem Sinne fügt K. Walizewska hinzu, dass das sprachliche Bewerten als Muster sprachlichen Handelns immer emotional geladen sein kann (Walizewska, Karolina 2016: 165.). Im Hinblick darauf beruht die außersprachliche Wirklichkeit vor allem auf die konnotativen Inhalte als Nebenbedeutung mit evaluativer und emotiver (emotionaler) Werte, die als implizit-signalisierte Bedeutungen (oder nicht-wörtliche Bedeutungen) zu betrachten sind (Mann, Elke 2000: 113; Metzler Lexikon Sprache 2016: 383.). Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass die deutschen Journalisten bei der geistigen Verarbeitung der algerischen Massenproteste seit 22. Februar 2019 eine persuasive Argumentationsform unterstützen, wobei das bewertende bzw. evaluierende und emotionale Argumentieren nicht nur als Muster sprachlichen Handelns zu betrachten ist, sondern auch als Strategie der Persuasion als illokutiver Akt der deutschen Zeitungstexte angesehen werden soll (Guttke, Mattias 2010).
4. Die algerische Hirak-Bewegung im Spiegel der deutschen Presse
Durch elliptische Sätze haben die deutschen Journalisten bestimmte Handlungs- und Denkweisen bei der sichtbaren Inszenierung der „algerischen Hirak-Bewegung“ in den Zeitungstexten produziert, die ein bemerkenswertes ideologisches Raster aufweisen. So fungiert die Ideologie als grundlegender Bestanteil zur Bewertung und Repräsentation der algerischen Volksbewegung gegen das politische System von Boutaflika (Fucks, Christin 2019: 42.).
Von der immateriellen Seite der elliptischen Sätze ausgehend lassen sich die algerischen Massenproteste von 22. Februar 2019 bis zum Rücktritt des algerischen Präsidenten Abdelaziz Boutaflika am 04. April 2019 in den deutschen Zeitungen: (Die Süddeutsche Zeitung, die Welt, der Spiegel und die FAZ) folgendermaßen repräsentieren:
Die algerische Hirak-Bewegung wird in der deutschen Presse als bewusster Kampf dargestellt, um aus der Dominanz „eines korrupten Systems“ herauszukommen. Der Ausdruck „korruptes System“ symbolisiert die Korruption der algerischen Politik im Schatten von Boutaflikas Herrschaft, wie man aus dem folgenden Beispielsätz aus der Tagespresse „die Welt“ ablesen kann:
1. “Die Proteste richten sich gegen den seit 20 Jahren amtierenden Präsidenten Abdelasis Boutaflika. „Das algerische Regime ist eine Mafia, eine kriminelle, korrupte Gang, die unser Land geplündert hat“. Sagt Zitout.“ (Die Welt. 31.3. 2019.)
Die algerische Hirak-Bewegung wird in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „Kampf um ein demokratisches Land“ dargestellt. Das folgende Beispiel dient zur Verdeutlichung:
2. „Die Demonstranten riefen „nein zum Polizeistaat“ und „Boutaflika raus“.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung. 12. 03. 2019)
In den Zeitungen (Die Zeit“ und der Spiegel) wird die algerische Hirak-Bewegung ebenfalls als Protest gegen einen impotenten, unfähigen Präsidenten, um Algerien zu regieren, repräsentiert, wie es aus den folgenden Beispielen ersichtlich wird:
3. „Abdelaziz Boutaflika regiert Algerien seit 20 Jahren, ist 82 Jahre alt und schwer krank.“(Die Zeit-Online. 22.03.2019)
4. „Neue Massenproteste in Algerien haben den Druck auf den altenschwachen Präsident Abdelaziz Boutaflika und die Führung des Landes weiter erhöht. Auch am Freitag zogen nach dem Mittagsgebet Schätzungen zufolge Zehntausende gegen Boutaflika auf die Straße.“ (Die Spiegel-Online. 8.3.2019
Die Süddeutsche Zeitung beschreibt die algerischen Massenproteste als Protest gegen „die Politik der leeren Versprechungen“, wie es aus dem folgenden Beispiel deutlich wird:
5. „Noch 2011 hatte Boutaflika auf die Proteste des Arabischen Frühlings reagiert, indem er Gehälter erhöhte und versuchte, über Intensivierungsprogramme Arbeitsplätze zu schaffen.“ (Die Süddeutsche Zeitung. 11. 3. 2019)
Aus den erwähnten Sätzen mit elliptischen Formulierungen lässt sich schlussfolgern, dass die algerischen Massenproteste von 22. Februar 2019 bis zum Rücktritt des algerischen Präsidenten Abdelaziz Boutaflika am 04. April 2019 als eine Revolution der Würde in den deutschen Zeitungstexten repräsentiert und abgebildet wird. In diesem diskursiven Raum stellt die immaterielle Seite der dargestellten elliptischen Satzkonstruktionen ebenfalls dar, dass die Politik des Präsidenten Boutaflika im Hinblick des algerischen Volks negativ bewertet wird.
Schlussfolgerung
In dieser vorliegenden Untersuchung wurde gezeigt, dass im Kontext des journalistischen Sprachgebrauchs unterschiedliche Erscheinungen elliptischer Sätze verwendet werden können, die als Musterbruch der Konventionalität des deutschen Satzes zu betrachten sind. Mit den elliptischen Satzkonstruktionen als sprachökonomische Strukturen haben die deutschen Journalisten einige Handlungs- und Denkweisen über das sozio-politische Thema der algerischen Hirak-Bewegung vom 22. Februar bis zum Rücktritt des Präsidenten Abdelaziz Boutaflika repräsentiert und abgebildet. Auf diese Weise lässt sich feststellen, dass durch elliptische Sätze die Realität der Hirak-Bewegung in Algerien sprachlich und außersprachlich dargestellt und bewertet werden kann. Darüber hinaus lässt sich ergeben, dass die elliptischen Sätze nicht nur als Muster der Abweichung von den Satzstrukturregeln gebraucht werden, sondern auch als Muster des sprachlichen Handelns „Persuasion“ bzw. „Bewerten“ betrachtet werden. Im Sinne von L. Wittgenstein handelt es sich dabei um die Konstitution und Formung des Sprachspiels im Langage der Presse.