Einleitung
In Bachmanns Todesarten-Zyklus geht es grundsätzlich, um die Dekonstruktion weiblicher Identität in einer von Männern beherrschten und dominierten Gesellschaft. Diese erfolgt mittels unterschiedliche « Folterwerkzeuge der Intelligenz » (Bachmann, 1983 : 74), die das Innere, die Seele und den Geist angreifen, bis zum Ermorden der jeweiligen Protagonistinnen führen und dabei keine nachweisbaren Spuren hinterlassen. (Siehe : Bachmann, 1983 : S.8). In diesem Zusammenhang beschreibt Bachmann in ihren Werken Malina und Der Fall Franza die unterschiedlichen Formen unter denen Gewalt und Macht auftreten. Es geht hauptsächlich um weibliche Protagonistinnen- Franza und die weibliche Ich-Figur-, diese sind schwach, abhängig und empfindlich, lassen sich von Männern beherrschen, missbrauchen, vergewaltigen und unterdrücken. Sie versetzen sich in die Opferrolle hinein, da ihnen ihre Seele, Innenleben und das unsichtbare Gefühlsleben eines Körpers von den Männern (Tätern) entwendet worden ist. Diese Frauen haben die Verzweiflung und den Opferstatus erfasst, sie werden kolonisiert und domestiziert. Es wird eine systematische Gewalt ausgeübt, in Form von Zerstörungsmechanismen und Vernichtungsstrategien, die von Bachmann explizit als auch implizit ausgedrückt werden, diese erzielen das Auslöschen des Lebenswillen der Protagonistinnen, « wo der Schritt zur Selbstvernichtung als Rettung aus der ungeheuren Kränkung, die des Lebens, »1 wird. So geht es in diesem vorliegenden Artikel hauptsächlich darum : Die Begriffe Macht und Gewalt zu erläutern und auszudifferenzieren, dabei sollten die systematisch ausgeübte Gewalt, ihre Mitteln und Strategien ausfindig gemacht und dargestellt werden. Fragen zur Thematisierung der Macht und wie der weibliche Körper auf die von Männern bzw. vom Patriachart ausgeübte Gewalt reagiert, sind auch dieser Untersuchung fällig.
1. Zur Erläuterung und Bestimmung des Gewaltbegriffs in Bachmanns Werke Malina und der Fall Franza
Gewalt und Macht sind sehr komplexe und schwer voneinander trennende Begriffe. Laut Hannah Arendt, die sich in ihrem Essay « on violence » 1970 dazu geäußert hat « Gewalt sei überschießende, eskalierende Macht [...] wo Macht ist, ist auch Gewalt. »(Arendt, 1970 : 55) Arendt sieht Gewalt als Steigerungsform von Macht, sie ist quasi der Macht bereits immanent.« Gewalt ist ein graduelles Überschreiten eines Macht-Kontinuums »(Ebd.) Im Werk Malina als auch der Fall Franza werden unterschiedliche Machtdiskurse artikuliert, diese sind : eine patriarchalische, imperialistische und institutionelle Macht, in denen immanent Gewalt ausgeübt wird, zwar nicht immer physisch, sondern auch verbal und sublim. Bachmann selbst erläutertet in ihrem Werk selbstreflexiv diese Gewalt-Thematik und lässt es bereits in ihrer Vorrede im Werk Der Fall Franza neu-beschreiben bzw. bestimmen.
Das Buch ist aber nicht nur eine Reise durch eine Krankheit. Todesarten, unter die fallen auch die Verbrechen. Das ist ein Buch über ein Verbrechen.[...]Die Massaker sind zwar vorbei, die Mörder unter uns.[...]Denn es ist heute nur unendlich viel schwerer, Verbrechen zu begehen, und daher sind diese Verbrechen so sublim, daß wir sie kaum wahrnehmen und begreifen können, obwohl sie täglich in unserer Umgebung, in unserer Nachbarschaft begangen werden.[...]Die verbrechen die Geistverlangen, an unseren Geistrühren und weniger an unsre Sinne, also die uns am tiefsten berühren- dort fließt kein Blut, und das Gemetzel findet innerhalb des Erlaubten Statt, innerhalb einer Gesellschaft, deren schwache Nerven vor der Bestialität erzittern.[...]Die wirklichen Schauplätze, die inwendigen, von den äußeren mühsam überdeckt, finden wo anders statt [sic]. Einmal in dem Denken, das zum Verbrechen führt, und einmal in dem, das zum Sterben führt. (Bachmann, 1983 : 7ff)
Anhand dieses Zitats sehen wir, wie die Gewalt von Bachmann neu-definiert wird, es erinnert an Foucaults « Abweichungs-Heterotopien » (Foucault, 2014 :10ff), wo das Ungesagte und Ungeschriebene, die kleinen Geschichten der Schwachen verlagert werden.(Vgl. Foucault, 1993 : 79) Alles ist sublim, die Schauplätze sind die Inneren, alles passiert im Erlaubten und führt letztendlich zur Selbstzerstörung und Mord. Diese Neu-Auffassung von Verbrechen und Gewalt lässt sich auch auf das Werk Malina übertragen. Auch Foucault äußert sich zum Thema Gewalt und konzipiert es wie folgt : « Gewaltbeziehungen wirken auf Körper und Dinge ein : Sie zwingen, beugen, brechen und zerstören » (Foucault, 2015 : 242) Manchmal wird der Körper nicht direkt angegriffen, sondern implizit, es wird zu erst das Innere angegriffen, das dann destruktive Folgen verursacht, sowohl seelische als physische, meistens endet es mit einer masochistischen Selbstvernichtung oder Tod ,wie es der Fall für die weiblichen Protagonistinnen in den Werken Malina und Der Fall Franza ist.
2. Zur Gewaltdarstellung in den beiden Werken
Beide Protagonistinnen sowohl die weibliche Ich-figur als auch Franza leiden stark unter Erinnerungsstörungen, sind auf der Suche nach einem unbewussten Teil ihrer Selbst, denn « nur durch die Bewusstwerdung dieser Verschwiegenen Erinnerung, können sie wieder zu einer vollkommenen Identität zurückfinden 2». Sie möchten sich erinnern, um eine ganzheitliche, vollkommene Identität zu erlangen, aber auch wollen sie, vor dem zustehenden, zukommenden Tod, das eigene Leben klären und die eigene Vergangenheit abklären, indem sie sich mit ihrer düsteren, quälenden, verdrängten Vergangenheit versöhnen, um damit letztendlich abschließen zu können.3 Es ist die Entfremdung mit der Selbst, die Sehnsucht der Protagonistinnen nach ihrer verlorenen Einheit und ihr Drang zur Vollkommenheit der eigenen Identität, der sie zur Selbstzerstörung und Zerfahrenheit treibt.
Anderseits fürchten sich die weiblichen-Protagonistinnen vor der Erinnerung, da sie mit diesem Reflexionsprozess auf den Tod hin zustreben4. Eine verschwiegene Erinnerung bzw. Erinnerungsstörung fällt mit den Grundlagen der Tiefenpsychologie von Siegmund Freud zusammen, indem es heißt : « Die zentrale Form der Abwehr unangenehmer und belastender Erfahrung ist die Verdrängung » (Freud, 1976: 222). Der Mensch verarbeitet unangenehme Erlebnisse, indem er versucht diese zu vergessen bzw. zu verdrängen5.
2.1. Die Gewaltdarstellung im Werk Malina
Manchmal taucht das Unbewusste, Verdrängte in Trauminhalte wieder auf6. Wie im Werk Malina der Fall ist, wobei die Vater-Figur die Täterfigur verkörpert und die weibliche Ich-Figur ein kollektives Unbewusstsein. In diesem unbewussten Teil -als Teil kollektives und kulturelles Gedächtnis- sind alle schrecklichen Erfahrungen der Menschheitsgeschichte gespeichert. Das lässt sich im zweiten Kapitel - das genannte Traumkapitel- das aus 35 Traumszenen besteht, indem die Vater-Figur die unterschiedlichen Täter-Rollen übernimmt wie z.B. eines Regisseurs, Couturier, Krokodil bestätigen. Die Traumszenen im Traumkapitel sind « als Folge von prägnanten Bildern für Formen männlicher Gewaltausübung gegenüber Frauen » (Bail, 1984: 44) zu lesen, wobei die Vater-Figur - auf Grund seiner Namenlosigkeit- sich in dieser Hinsicht zu einer Symbolfigur der männlichen Macht und Gewalt erhebt. Als Vertreter des mörderischen, zerstörerischen Prinzips -das dem Geschlechterkampf inhärent ist- ist diese Gewalttätigkeit des Vaters gegenüber der weiblichen Ich-Figur anspielend auf eine universelle, patriarchalische Gewalt und Macht, die das Geschlechterverhältnis zwischen Mann/Frau bzw. Männlichkeit/Weiblichkeit bedingt und « die Fortschreibung von männlicher Herrschaft » (Müller-Funk, 2006, S.199) erzielt7. « Desweiteren steht jedoch die Vaterfigur für das Verhältnis Gesellschaft /Individuum8. » Der Gesellschaft liegen nach Foucault bestimmte machtförmige Diskurse zu Grunde, diese bestimmen mittels verschiedenen Ausschlussmechanismen wie z.B. « Kontrolle, Selektion, Organisation, Kanalisierung » (Müller-Funk, 2006: S.196) Verbot und Institutionen was richtig /falsch, moralisch /unmoralisch, vernünftig /wahnsinnig ist, dabei geht es um den Ausschluss des negativ konnotierten Anderen. (Vgl. Müller-Funk, 2006: S.198), dazu regeln diese Praktiken « wer wann und wo sprechen darf » (Müller-Funk. S.204)9. Und zu guter letzt steht die Vater-Figur auch für die symbolische Ordnung. Gesellschaft ist für Bachmann der größte Mordschauplatz, denn « Es ist immer Krieg. Hier ist immer Gewalt. Hier ist immer Kampf. Es ist der ewige Krieg. » (Bachmann, 2004: 235). An den folgenden zwei Traumszenen lässt sich das davor Besprochene bestätigen:
2.1.1. Traumszene:Gaskammer-Traum10
In dieser Traumszene befindet sich die träumende weibliche Ich-Figur in der größten Gaskammer der Welt, von der es keine Fluchtmöglichkeit gibt, wobei der Vater die Tochter aus den Augen nicht verlieren will, ihr aber nicht zum Entfliehen verhelfen will. Er entpuppt sich als Vergewaltiger, was durch die bedrohenden Gasschläuche an der Wand symbolisiert wird. Das nationalsozialistische faschistische Verhalten, indem Fall die Judenvernichtung, wird mit der Vergewaltigung und Gewalttätigkeit des Vaters gegenüber der weiblichen Ich-Figur gleichgestellt, indem sich die weibliche Ich-Figur mit den Juden, die vergast wurden, zu identifizieren weiß. Da « Vergewaltigung und Krieg die extremste Form der Männerherrschaft ist » (Bail, 1984 S.41) wird das Leiden der Juden mit dem der Frauen parallelisiert bzw. gleichgesetzt11.
2.1.2. Traumszene :Verlusttraum12
Die weibliche Ich-Figur verliert ihre Zähne, das steht für ein unartikuliertes Sprechen, auch die Zunge der Träumenden wird vom Vater ausgerissen und steht für ein klaren Sprachverlust.« Der Mund » stellt aber auch ein primäres Lustinstrument dar, so wird der Träumenden nicht nur die Sprache beraubt, sondern auch Sexualität. Die Gewalt des Vater steigert sich bis zum Ausreißen der Gedärme und des Herzens. Die Destruktion wird also von Innen her betrieben, und das lässt sich auf die Zerstörung der Psyche übertragen.
In diesem Traumkapitel kommt es mit Hilfe Malinas zur Rekonstruktion der Vergangenheit, an die sich die weibliche Ich-Figur anfangs nicht erinnern wollte, dann aber dafür entschieden hat. So kommt die weibliche Ich-Figur zum Entschluss, dass sie aufgrund ihrer Emotionalität und Andersheit, die ihr als Weiblichkeit in dieser männlich-phallisch determinierten Ordnung zu gesprochen wird, sich dem kriegerischen, despotischen und zerstörerischen männlichen Geist nicht anpassen kann. (Vgl. Masanek : 2005, S.38) Als Folge davon verschwindet die weibliche Ich-Figur in die Wand und überlässt dem männlichen Teil Malina- Repräsentant der Vernunft- die Alleinherrschaft. Mit dieser Szene weist Ingeborg Bachmann auf die Unmöglichkeit der Vereinigung der Symbiose Männlich/Weiblich bzw. der Gegenpole, denn das Männliche - im Patriarchat positiv aufgewertete Pol- etabliert sich aufgrund des Ausschlusses bzw. der Vernichtung des Anderen/ des Gegenpols. So wird in Anlehnung an Judith Butler die weibliche Ich-Figur beseitigt, vernichtet bzw. in den Schatten gedrängt, damit Malina -das männliche Teil- ihren Platz bzw. die « alleinige Weiterexistenz » (Bail,1984 :S.54) übernimmt13.
2.2. Die Gewaltdarstellung im Werk « Der Fall Franza »
Die Täter-Figur im Werk Der Fall Franza ist Jordan, dieser sieht Franzas Vater ähnlich aus. Er steht als Vaterersatz da, der ihr Schutz gewähren sollte, doch das Gegenteil tritt vor, er zerstört sie. Jordan macht Sie zu seinem Fall, Franza vergleicht ihre Ehe mit Jordan mit der « Blaubartehe » (Bachmann, 1983 :70)14. Im Blaubartmärchen geht es darum, dass ein Mann der Frau eine durch Reichtümer abgesicherte Welt bietet, dann aber übertritt diese versprochene utopische Welt in einer bedrohlichen Todesangst und einer erregenden psychischen Welt. Jordan betrachtet sie als Analytiker und nicht im Rahmen der Beziehung Mann/Frau, ihre Handlungen werden genauestens protokoliert, sodass sich Franza nicht mehr traut unüberlegt zu sprechen, überhaupt zu reden, geschweige denn zu protestieren. Er raubt ihr die Sprache. Franza merkt wie er sie psychisch zerstören will15.
Bachmann verdeutlicht im unvollendeten Werk Der Fall Franza, dass der faschistische Terror keineswegs mit dem Ende des Kriegs aus der Welt verschwunden ist ; er spielt sich jetzt in den zwischenmenschlichen Beziehungen ab. (Bachmann, 1983 : 74)16 Dies lässt sich auch in den Träumen Franzas verdeutlichen, in denen Jordan an ihr den gewalttätigen, brutalen und kranken Nazi-Terror ausübt, denn er vergewaltigt sie, verwehrt ihr die Mutterschaft und zwingt sie zur Abtreibung auf17. Er behandelt sie mit einer zynische, herablassende Art, sodass sie ihre magische Art und Weise verliert und dabei ihre Identität zerstört, was zur Selbstentfremdung führt18.
Franza identifiziert sich mit den Opfern und fühlt genau das was sie fühlen, sie identifiziert sich mit den « Papuas » (Bachmann, 1983 : 84) und mit allen Kolonisierten, auch mit der Frau im Bahnhof, die von ihrem Mann an den Haaren gezogen wird und grausam gequält wird. Als sich jedoch Franza über den Wahnsinn des Mannes äußert wird ihr gesagt, dass die Frau wahnsinnig ist, doch für Franza kann nur der Mann mit solch einer Brutalität krank sein. Dieser Anblick ist erinnernd an Franzas Situation in ihrer Ehe mit Jordan, der auch krank war, während sie als Wahnsinnige betrachtet wurde. (Vgl. Bachmann, 1983 : 74)19.
Auf dem Bahnhof in Kairo hatte Franza bei ihrer Ankunft die Frau gesehen. Die Frau war auf den Knien gelegen, mit Stricken gefesselt, die Hände auf dem Rücken verschränkt, auf dem Rücken die Hände mit Schnüren gebunden, die Füße, nackt, schmutzig, auch zusammengebunden, das sah Franza zuerst ; dann den Kopf der Frau, einen langen, schmalen, überdehnten Kopf, wie ihn die Töchter Echnatons hatten, der Kopf war zurückgebogen, so daß die Frau in die Höhe schauen mußte, so hoch, daß rundum nichts mehr in ihr Blickfeld kommen konnte, und zuletzt erst nahm Franza den großen Araber wahr, der die Haare der Frau, zusammengezwirbelt, nicht zu einem Zopf, sondern zu einem schwarzen festen Strick gedreht hielt, in der einen Hand, damit sie den Kopf unbeweglich halten mußte, und mit der anderen Hand führte er sich genießerisch gelbe bohnengroße Körner zum Mund, lächelnd.[...] Die Frau, Martin ! Der Mann ist wahnsinnig, er ist wahnsinnig, so tut doch etwas, er ist wahnsinnig. Sie wiederholte so viele Male in sich den Satz, bis sie ihn herausbrachte in einem so deutlichen Englisch, daß jeder verstehen mußte. Der junge, ihr zunächst stehende Mann grinste begütigend und antwortete : Nicht er ist verrückt. Sie ist wahnsinnig.[...] Er hat sie wenigstens mit sich nachhause genommen, und er hat mich nicht einmal, Franza fing zu schluchzen [an]. Immer wird hier die Frau sein, Franza nickte, ich bin die Frau geworden, das ist es. Sie stieg in den Wagen und fuhr zum Hotel zurück. Ich liege dort an ihrer statt. Und mein Haar wird, zu einem langen, langen Strick gedreht, von ihm in Wien gehalten. Ich bin gefesselt, ich komme nie mehr los. (Bachmann, 1983 : 133f)
Auch im Werk Der Fall Franza litt die Protagonistin unter Erinnerungsstörungen, die durch ein Déjà-vu und Identifikation mit den Leidenden zur Rekonstruktion der Erinnerung kam, aber auch zur Erkenntnis Franzas, die ihr zur Heilung verhalfen. Franza stirbt, indem sie nochmals stellvertretend für Jordan an der Tempelmauer vergewaltigt wird, denn sie schlug ihren Kopf mit ganzer Kraft gegen der Steinquader in Gizeh und schrie zum ersten Mal rebellisch Nein, Nein (Vgl. Bachmann, 1983 : 143).
3. Die Reaktion des weiblichen Körpers auf die Gewaltpraktiken
Der Körper wird zum Ort der Verweigerung, er wehrt sich. Der Körper hat seine eigene Sprache, so sind an den beiden Protagonistinnen hysterische Symptome zu diagnostizieren bzw. festzustellen wie:
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Lähmung, Atemnot, Konvulsion. Kiefersperre, Zittern, Fieber, Schüttelfrost. Diese Hysterie ist nach Freud ein äußerliches Zeichen für ein unverarbeitetes Traumata, die sexuelle Ursachen haben muss, aber für die Protagonisten, ist nicht nur die Vergewaltigung daran Schuld sondern auch andere psychische und physische Grausamkeiten (Freud und Breuer, 2012: 1-7)20
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Durch Erinnerungsstörung wird das Vergessen beabsichtigt bzw. erstrebt. Dies dient dem Verdrängen von bestimmten Ereignissen.
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Sprachstörungen und Verstummen der Protagonisten gelten als Protest gegen diese Grausamkeiten.
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.Es bildet sich ein masochistisches Denken, wo die Protagonisten den Tod erbitten. In dem Fall gelten Selbstzerstörung und Tod als Rettung aus dieser von Männern grausam, ausgeübten Gewalt und missbrauchten Macht.
Franza -im Werk Der Fall Franza- bittet den ehemaligen NZ-Arzt Körner um den Tod, um « die Sterbehilfe, den Gnadentod, um 2 ccm Morphium-Scopolamin. » (Bachmann, 1983: 130) Auch die weibliche Ich-Figur -aus dem Werk Malina- entscheidet sich für die Wand und verschwindet aus der Handlung bzw. überlässt ihr Leben Malina, ihrem männlichen Teil.
Geben sie mir eine Spritze. [...] Ich habe es doch schon gesagt. Ich will nicht mehr leben, ich kann wirklich nicht mehr. Wie konnte sie ihm bloß klarmachen, daß sie ausgemerzt werden wollte ? Ja, ausgemerzt, das war es.(Bachmann, 1983 : 132)
Ich sehe Malina unverwandt an, aber er sieht nicht auf. Ich stehe auf und denke, wenn er nicht sofort etwas sagt, wenn er mich nicht aufhält, ist es Mord, und ich entferne mich, weil ich es Mord, und ich entferne mich, weil ich es nicht mehr sagen kann. Es ist nicht mehr ganz furchtbar, nur unser Auseinandergeraten ist furchtbarer als jedes Aneinandergeraten. Ich habe in Ivan gelebt und ich sterbe in Malina. [...] Malina trinkt noch immer seinen Kaffee. Es ist ein -Holla- zu hören vom anderen Hoffenster herüber. Ich bin an die Wand gegangen, ich gehe in die Wand, ich halte den Atem an. Ich hätte noch auf einen Zettel schreiben müssen : Es war nicht Malina. Aber die Wand tut sich auf, ich bin in der Wand,[...]. (Bachmann, 2004 : 336)
Schlussfolgerung
In Anlehnung an Paul Klees Zitat:« Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern es macht sichtbar » (Klee, 1920: S.76), will Bachmann in ihrer Prosa über das Verborgene, das im Unterbewusstsein begrabene, berichten. In ihrer Dankrede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden, « Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar »21, bekennt sich Bachmann einer Poetik, die die Leiderfahrung des Menschen „wahrhaben“ und „wahrmachen“, die Wahrheit über „das ganze Unglück der Welt“ den Menschen „zumuten“ will22. Sie stellt dem Schriftsteller die Aufgabe des Sichtbarmachens, damit den Menschen die Augen aufgehen. Bachmann bespricht ein- in ihrem Werken -dominantes Thema und zwar die Gewalt, dabei will sie nicht nur auf die materielle Gewalt aufmerksam machen, sondern auch auf die immaterielle Gewalt, das sublime Verbrechen, das in den inneren Schauplätzen verläuft z.B. durch demütigende Worte oder Liebesentzug, Schlafentzug, « Waterboarding »23 die sogenannten weißen Folter, die keine körperlichen Spuren hinterlassen, trotzdem kommt es zur Leiderfahrung und Schmerzerkenntnis der Protagonistinnen, da die Seele stark beschädigt und die Identität zerstört wird. Die Betroffenen verlieren demzufolge das Weltvertrauen und neigen lebenslang zur Selbstzerstörung. Diese finden ihr Ende häufig in Tod oder Selbstmord.