Einleitung
In dem Roman Das Parfum geschrieben von Patrick Süskind im Jahre ( 1985)1, geht es um das Leben eines geruchlich sehr begabten Mannes, Jean Baptiste Grenouille. Er wird im 18. Jahrhundert in Paris geboren und wächst dort ohne Eltern auf. Später zieht er in Frankreich herum und tötet dabei 26 Junge Frauen. Aus den Gerüchen dieser Frauen stellt er in extrem gut riechendes Parfum her, und bringt sich später in Paris um. Süskind will dem Tod und der Gewalt in seinem Roman des Handelns der Gesellschaft kritisieren. Dies wird im Folgenden näher erläutert.
Der Gewalt ist schon bei der Geburt von Jean Baptiste Grenouille. Grenouille wird am 17. 7.1 738 « am allerstinkendsten Ort des gesamten Königsreichs » (Parfum : S., 7) Frankreich, dem Cimetière des Innocents in Paris am Verkaufsstand seiner Mutter, einer ledigen Fischhändlern, geboren. Grenouille ist von Geburt an mit einem besonderen hoch entwickelten Geruchsinn ausgestattet, hat aber keinen Eigengeruch. Der Versuch seiner Mutter, Grenouille, wie schon andere ihrer Kinder vorher, zwischen den Fischresten sterben zu lassen, scheitert. Moderne Macht zielt auf den Körper des Individuums. Dies mag überraschen, vollzieht sich doch von Foucault gebrachtes Beispiel einer klassischen » Bestrafung gerade in einem Fest körpervernichtender Gewalt. Die Macht des Souveräns sollte symbolisch durch Vernichtung wiedergestellt werden. Doch war sein Körper nicht eigentlich Gegenstand einer Gewalt, die das Leben des Straftäters vernichte wollte. Der Körper als Subjekt der Macht entsteht erst, als es nicht vornehmlich um seine Vernichtung geht : « Im Laufe des klassischen Zeitalters spielt sich eine Entdeckung des Körpers als Gegenstand auch Zielscheibe der Macht ab » (Foucault 1994 : 9).
Zunächst kritisiert Süskind das Handeln der Gesellschaft, indem er die Menschen als rücksichtslos und egoistisch darstellt. Grenouille als Hauptcharakter, begeht einige Gewaltverbrechen im Laufe des Romans. Seinen ersten aus 26 Morden begeht er im Alter von 15 Jahren. Süskind kritisiert auch hier das Handeln der Gesellschaft, die Menschen kein Mitleid mit Außenseiten zeigen. Die Kinder haben Grenouille als Außenseiter aufgenommen und auch behandelt. Weil er ihnen unheimlich gewesen ist, haben sie versucht ihn umzubringen. Das Leben in dem Waisenhaus soll das Leben in der Gesellschaft metaphorisch darstellen.
1. Gewalt und Horror
1.1. Aspekte des Horrorromans
Die Faszination, die von Bösen und Grausamen ausgeht, macht sich Süskind immer wieder zunutze, zum Beispiel, als Grenouille am Ende regelrecht zerfleischt wird. Auch Grenouille Geburt : Schon am Anfang des Romans steht die Geburt von Jean Baptiste Grenouille. Seine ledige Mutter, eine Fischverkäuferin, hatte schon vorher an ihrem Stand Kinder zur Welt gebracht, diese aber sterben lassen. Schmerz tötete alle Empfänglichkeit für äußre Sinneseindrücke. Sie wollte Nun nabelt sie Jean Baptiste Grenouille mit ihrem Fischmesser ab, bevor sie ohnmächtig zusammenbricht :
Geschrei, Gerenne, im Kreis steht die glotzende Menge, man holt die Polizei. Immer noch liegt die Frau mit dem Messer in der Hand auf der Strasse, langsam kommt sie zu sich.
Was ihr geschehen sei zu sich.
« Nichts »
Was sie mit dem Messer tue ?
« Nichts »
Woher das Blut an ihren Röcken komme ?
« Von den Fischen »
Sie steht auf, wirft das Messer wag und geht davon, um sich zu waschen.
( Parfum : S.9)
Wenig später wird die Geburt entdeckt, die junge Frau, die ihren Sohn nicht am Leben lassen wollte, wird verhaftet und dann hingerichtet, während Jean-Baptiste in die Obhut von verschiedenen Ammen kommt. Wegen seiner unangenehmen äußern Erscheinungen, er ist klein, bucklig und hässlich, und wegen seiner Geruchlosigkeit, wird er in den Familien Opfer aggressiven Verhaltens. Das Kind, das fast Schmerzunempfindlich zu sein scheint, übersteht Unfälle, schwere Krankheiten und Mordenanschläge dank seiner Zähigkeit und Genügsamkeit, wesalb ihn der Erzähler als Zecke bezeichnet. Dieses Insekt, saugt das Blut aus anderen Lebewesen heraus und weiß lange Zeit ohne Nahrung auszukommen. Wegen seines zeckenartigen Verhaltens vermag es keine Nährmutter lange mit Grenouille auszuhalten.
Schließlich die Drangsalierungen, denen er bei Grimal ausgesetzt ist, seine Ekel erregenden Essgewohnheiten in der Höhle, sein Furcht erregendes Aussehen nach dem Verlassen der Höhle, die Tötung von Richis schöner Tochter und die geplante grausame Hinrichtung des Mörders durch Schläge mit der Eisenstange gehören in das Genre des Horror-oder Geruselromans, das viele Leser immer wieder in seinen Bann zieht.
1.2. Grenouille - Das Monster
Und tatsächlich ist der Protagonist des Romans mit Merkmalen, Verhaltensweisen und Eigenschaften ausgestattet, die für mindesten zehn Figuren aus einem literarischen oder auch trivialen Horrorkabinett gereicht hätten. Was da zwischen Fischgekröse mit dem Fischmesser von seiner Mutter abgenabelt wird, nur um den Tod zu erleiden, aber aus reinem Trotz am Leben bleibt, gleicht zunächst in seiner ganzen Existenz mehr einem Tier als einem Menschen. Das Kindt scheint mit den Nüstern zu sehen, es riecht Menschen ab, es verschlingt alles mit seiner Nase. Die Nase übernimmt Funktionen der Wahrnehmung, die beim Menschen über Auge und Ohr ablaufen. Die Augen dagegen sind keine Menschenaugen, sondern von « unbestimmter Farbe zwischen austerngrau und opal-weiß-cremig, von einer Art schleimigen Schleier überzogen und offenbar noch nicht sehr gut zum Seen geeignet » (Ebd., S. 22). Grenouille, so stellt Pater Terrier fest, ist ein « feindseliges Animal » (Ebd., S.24). Die « animalischen » Verhaltensweisen behält auch der Knabe bei, der als Gehilfe des Gerbers Grimal die große Stadt Paris durchstreift und eine mehr « tierische als menschliche Existenz » fistet (Ebd., S, 42). Grenouille wird von « Jagdlust » gepackt, um Gerüche aufzunehmen, er erweitert sein « Jagdgebiet », er durchstreift Paris « mit geschlossenen Augen, halbgeöffnetem Mund und geblähten Nüstern, still wie ein Raubfisch » (Ebd., S. 50). Und auch nach dem ersten Mord, nach dem Grenouille seinen Prozess der Entwicklung und Selbstreflexion beginnt (…den bisher hatte er bloß animalisch existiert in höchst nebulöser Kenntnis seiner selbst » (Ebd., S.57), legt er die animalischen Seiten seiner Persönlichkeit nicht völlig ab. Auf der Reise Richtung Grasse ist ihm die Nase der Kompass. Er wandert oft in der Nacht, weil ihn das « Sehen mit den Augen » schmerzt. Er nimmt die Gerüche der Menschen auf wie ein Hand eine Fährte, und, am Plomb du Cantal angekommen, lässt er den « Blick seiner Nase » über das Land streifen (Ebd., S.151).
Von Geburt an erscheint das Animal Grenouille den Menschen als die Verkörperung des Bösen. Er kommt bereits ungeliebt und stigmatisiert auf die Welt. Noch bevor er nach vielen Morden und wirklich zum Monstrum geworden-juristisch verurteilt wird, ist er bereits als Mensch abgeschrieben und zum Außenseiterdasein verurteilt worden. Denn ihm fehl die spezifische Eigenschaft des Menschen, der Eigengeruch, und damit steht das Urteil über ihn fest : « Er ist vom Teufel besessen. » (Ebd., S. 14)
1.3 Grenouille als Zeck
Wegen seiner unangenehmen äußern Erscheinungen, er ist klein, bucklig und hässlich, und wegen seiner Geruchlosigkeit, wird er in den Familien Opfer aggressiven Verhaltens. Das Kind, das fast Schmerzunempfindlich zu sein scheint, übersteht Unfälle, schwere Krankheiten und Mordenanschläge dank seiner Zähigkeit und Genügsamkeit, weshalb ihn der Erzähler als Zecke bezeichnet. Dieses Insekt, saugt das Blut aus anderen Lebewesen heraus und weiß lange Zeit ohne Nahrung auszukommen. Wegen seines zeckenartigen Verhaltens vermag es keine Nährmutter lange mit Grenouille auszuhalten :
Zum ersten Mal, taucht der Hinweis auf den ‚ ‚Zeck‘ Grenouille im vierten Kapitel des Romans auf, das Grenouilles Leben im Heim von Madame Gaillard schildert. Eine Zecke wird hier als zäh, still, resistent und genügsam beschrieben, als ein Animal, das von nur einem Blutstropfen leben kann, den es vor Jahren erbeutet hat. Eine Zecke, so erfahren wir weiter, ist hässlich, grau und klein und unansehnlich, einsam, blind, stumm, taub, dabei aber stur, bockig und Zäh. (Matzkowski 2017 : 65)
Dieses Insekt, saugt das Blut aus anderen Lebewesen heraus und weiß lange Zeit ohne Nahrung auszukommen. Wegen seines zeckenartigen Verhaltens vermag es keine Nährmutter lange mit Grenouille auszuhalten. Schließlich gibt auch die Amme Jeanne Bussie den kleinen Jungen einem Pater namens Terrier zurück, der ebenfalls keine emotionale Nähe zu dem kleinen zu entwickeln vermag. Dieser bezeichnet Jean Baptiste als ein « fremdes, kaltes Wesen », als ein « feindseliges Animal » (DELSEIT/ DROST 2000 : 69), weil er den Eindruck gewonnen hat, das geruchlose Kind röche ihn schamlos ab. Gegen eine einjährige Vorauszahlung kommt Grenouille schließlich in die Obhut von Madame Gaillard, einer Frau, die zwei Dutzend Kinder in Pflege hat. Sie betreut die Kinder nicht aus humanitären Gründen, sondern sieht in der Kinderpflege eine geschäftliche Angelegenheit, um von dem Kostgeld ihre Rente zu sichern.
Auch Grenouilles Verhaltensweisen befremden seine Mitmenschen. Menschlicher Wärme scheint er nicht zu bedürfen, er selbst strahlt Kälte ab. Er lebt isoliert von den anderen Kindern und Heim, nur in sich zurückgezogen. Er gibt an seine Umwelt nichts ab « als seinen Kot » (Parfum : S.29). Er führt die Existenz seines « resistenten Bakteriums » (Ebd., S.27). Er ist Grenouille, der ‘Zeck’.
Grenouille lebt in sich verkapselt, wartet auf bessere Zeiten, zeigt keine Gefühle, keine seelische Regung und gibt an seine Umwelt nur seinen Kot ab (Vgl. Ebd., S.29). Für Grenouille kommt der Zeitpunkt, um den eigenen Interessen nachzugehen, während seines Lebensabschnitts als Gehilfe des Gerbers Grimal. Bereits bei der ersten Begegnung erfasst Grenouille instinktiv, dass Grimal bereit ist, ihn wegen einer Kleinigkeit totzuschlagen «… mit dem ersten witternden Atemzug, den er von Grimals Atemzug, den er von Grimals Geruchsaura eingesogen hatte, wusste Grenouille » (Ebd., S.40). Und so entscheidet sich der Zeck Grenouille dazu, sich ganz in sich verkapseln, um auf zeckenhafte Manier die Epoche der bevorstehenden Eiszeit zu überdauern : zäh, genügsam, das Licht der Lebenshoffnung aus kleinster, aber wohlbehüteter Flamme haltend (Ebd., S.41)
Dass das Leben Grenouilles dem einer Zeck Grenouille dazu, sich ganz in sich verkapseln, um auf : « Die Zeit des Überwinterns war vorbei. Der Zeck Grenouille regte sich wieder. Er witterte Morgenluft. Die Jagdlust packte ihn » (Ebd., S.43)
Bis 14 Kapitel wird der Vergleich Grenouilles mit dem Zeck nicht verwendet. Beibehalten werden allerdings andere Verweise auf Grenouilles animalischen Charakter. Das Bild vom Zeck taucht wieder auf, als ein neuer Lebensabschnitt Grenouilles beginnt, nämlich seine Zeit bei Baldini. Als Grenouille den Laden des Parfumeurs betritt, weiß er, dass nun seine Chance gekommen ist, das Parfumeurshandwerk zu erlernen : Der Zeck hatte Blut gewittert. Jahrelang war er still gewesen, in sich verkapselt, und hatte gewartet. Jetzt ließ er sich fallen auf Gedeih und Verderb, vollkommen hoffnungslos. Und deshalb war seine Sicherheit so groß. (Ebd., S.90)
Und in der ersten Nacht im Hause von Baldini rollt sich Grenouille « wohlig zusammen » und macht « sich klein wie der Zeck » (Vgl. Ebd., S. 114). Der nächste Hinweis auf Grenouille ‘zeckische’ Existenz erfolgt erst wieder, als er in eine neue Phase seines Lebens getreten ist. Während seines Aufenthalts in der Höhle im Plomb du Cantal entfernt sic Grenouille immer weiter von allem, was ein menschliches Leben ausmacht. Er gibt sich seinen Traumräuschen hin, lebt in der Welt seiner Phantasmagorien. So sehr nimmt er eine eigentlich animalische Existenz an, dass ihn die Relikte notwendiger menschlicher Verhaltensweisen und das damit verbundene Verlassen seiner Rauschzustände nahezu körperlichen Schmerzen, vor allem aber seelische Not bereiten « Grenouille, der Zeck, war empfindlich geworden wie Kerbs, der sein Muschelgehäuse verlassen hat und nackt durchs Meer wandert » (Ebd., S. 168) Der Wiederspruch in Grenouille sich vom Leben der Menschen weitesmöglich entfernt zu haben, aber doch war immer wieder auf eine menschliche Existenzweise zurückgeworfen zu sein äußert sich hierum Paradoxen vom « empfindlichen » Zeck.
2. Krimielemente
2.1 Grenouille – der Mörder
Seit Jack Ripper ist der Serienmörder eine mythische Figur unserer Zivilisation geworden. Er verkörpert den Einbruch irrationaler Grausamkeit in die Routine und Ordnung des Alltags. (Mayr/ Lndner : 1993.)
Zuerst lautet der Untertitel des Romans Das Parfum : Die Geschichte des Mörders, so kommt damit nicht nur eine Information sachlich daher, sondern es werden auch Erwartungen geweckt, denn der Roman wird damit gleichzeitig ist eine literarische Tradition eingereicht : die der Krimis, der Detektivgeschichte, des Thrillers. Süskinds Roman steht aber nicht nur in der Tradition eines Genres, mit dem der Roman gleichzeitig wiederum spielt, sondern auch neben zwei weiteren literarischen Welterfolgen, nämlich Umberto Ecos Roman Der Name der Rose, der als ‚Klosterkrimi‘ mit einer in der Tradition der klassischen Detektive stehenden Hauptfigur, dem Mönch William von Baskerville, international Furore gemacht hat, und Thomas Harris‘ Schweigen der Lämmer mit der Faszinierenden und scharfsinnigen Scheusal Hannibal Lecter (Hanibal der und Serienmörder « Buffalo Bill » (…). Der internationale Erfolg dieser drei mörderischen Geschichten macht das Leserinteresse am Finsteren, Unheimlichen, am Gewalttätigen, an den dunklen Seiten unserer Existenz überhaupt deutlich :
Obwohl Grenouille es ja immerhin auf insgesamt 26 Morde bringt : ein Mord in Paris, 25 in Grasse und damit einen Jack the Ripper weit übertrifft und obwohl er Seiten aufweist die in der wissenschaftlichen Literatur als typische Merkmale für Serienmörder gelten, begleiten ihn die Leser, und das ist sicher eine Absicht des Romans, durchaus nicht mit Distanz « Grenouilles Charakter ist so angelegt, dass beim Leser Emotionen sehr unterschiedlicher Art (Abscheu und Hass, Mitleid und Bewunderung) geweckt werden » (Berger 1987 : 60)
Außerdem ist Grenouille nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Ein von der Grenouille Gesellschaft, ihren Institutionen und Individuen stigmatisierter und geschädigte Einzelgänger, der sich unseres Mitleids sicher sein kann, wenn er verfolgt und ausgebeutet, geschunden und verachtet wird. Der Böse in einer bösartigen Gesellschaft. Denn alle anderen, die nämlich, denen er begegnet, sind voller Hass und Eigennutz, ohne moralische und sittliche Skrupel, beuten ihn aus, benutzen ihn, lassen ihn unter unwürdigen Bedingungen existieren oder nehmen sogar seinen Tod in Kauf.
Dabei kommt Grenouille ein stiller, ein sanfter Mörder ist.2 Seine Mordenächte sind sind eher Andachten, stillen, weihvollen Feiern vergleichbar (er ruht nach getanem Werk, neben seine Opfern sitzend, in sich gekehrt, fast meditativ) und haben nichts mit den Ausbrüchen von Gewalt und den inszenierten Masken zu tun, wie sie uns bei anderen Serientätern begegnen (Vgl. Parfum S.275). Zudem sind Grenouilles Morde frei von sexuellem Aspekt. Schon beim ersten Mord in Paris, der noch am ehesten einem spontanen Getriebensein folgt und nicht geplant ist wie die Morde in und um Grasse, ist Grenouille « vollkommen unlüstern. Er besitzt kein Gran, Männerfantasie‘, hat nichts, was sich sexuell begreifen ließe, hat alles, was er hat, nur im olfaktorischen, im Nasen-Sinn. » (Stadelmeier : S.18). Anette Meyhöfer schreibt im Zusammenhang mit Grenouille erstem Morde, es handelt sich hierbei um « eine erotische Novität : eine Vergewaltigung, begangen mit der Nase, denn der mörderische L.üstling Grenouille liebt nichts als den Duft seines jungfräulichen Opfer, er tötet es, um es ‚willkzuriechen‘. » (Meyhöfer 1991 : 161). Die körperliche Distanz zwischen Grenouille und den Opfern wird nach dem ersten Mord verstärkt. Benutzt Grenouille beim dem Mord in Paris noch seine Hände, um das Mädchen zu erwürgen, erschlägt er die Mädchen in Grasse mit einer Art Totschläger und vermeidet so gut wie jeden Körperkontakt. Das « Ernten » des Duftes erinnert, durch die Sprache bewusst provoziert, eher an die präzise Handwerksarbeit eines Bäckers als an die Untat, die es ja eigentlich ist (Vgl. Parfum : S. 275).
Dass wir geneigt, Grenouille nicht eindeutig zu verurteilen, sondern mit ihm sympathisieren, hat seinen Grund wohl auch darin, dass er uns als Künstler begegnet, der von dem Wunsch geleitet wird, einmal gestecktes Ziel zu erreichen, und der sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufriedengibt, wie Baldini, sondern nach der höchsten Vollkommenheit seines Werkes strebt. Und er erscheint uns doch eher als tragische Figur, weil die Schöpferkraft an Zerstörung und die geniale Tat an Mord gebunden ist :
« Man bangt mit dem zielbewusst seinen Plan ausführenden Grenouille wie mit einem indianischen Skalp-Jäger, der halt die Kopfhäute gewiss bedauernswerter Gegner sammelt. (Kaiser 1985) .
Die bisher genannten Facetten der Persönlichkeit des Mörders Grenouille mögen ihren Teil dazu beitragen, dass die Leser dem Protagonisten des Romans mit durchaus gemischten, wenn nicht positiv Gefühlen gegenüberstehen. Es gibt wohl auch Gründe für die Sympathie mit Grenouille, die mit den Lesern selbst zusammenhänge. Mit ihrer Psyche. Ulrich Genzler ist bei der Beantwortung der Frage nach der Faszination, die von Serienmörder ausgeht, zu folgendem Ergebnis gekommen :
Gerade die kenntnisreiche psychologische Auslotung des dämonischen Charakters in der Literatur spielt mit einer Seite unsere Seele, deren Existenz wir nicht wahrhaben wollen und deren Abgründe nur schwer für uns zu fassen sind. Die eruptiven Taten des Serienmörders, die uns wie aus einer fremden Welt erscheinen, rühren an das in uns wie aus einer fremden Welt erscheinen, rühren an das in uns schlummernde Gewaltspotential. Dabei entsteht ein schillerndes Amalgam aus Angst, Erregung und dem beruhigenden Gefühl, in relativer Sicherheit zu sein. Denn für den wahren Genuss muss eine Bedrohung vorhanden sein, darf aber eine gewisse Grenze der Konkretheit nicht überschreiten werden. Wo hingegen der reale Schrecken zu nahekommt, wird aus dem Lustvollen Schauer nackte Angst. (Genzler 1992 : 180)
2.2 Grenouille Erster Mord
Wenn Grenouille einen neuen Duft entdeckt hat, ‘stößt er zu’, zerlegt die Gerüche in sich keinen und speichert sie in seinem Gedächtnis. Er sammelt alle Gerüche, er will schlichtweg alle Düfte besitzen, die ihm die Welt bieten kann. Am 1. September 1753, der Thronbesteigung des Königs, ändert sich Grenouilles Einstellung. Er hält das ‚Prinzip‘ erst, als er auf dem Heimweg des geruchlich langweiligen Festes ist. Grenouille wird ein Duft zugeweht, ein Duftatom, noch weniger : eher die Ahnung eines Duftes : Instinktiv bemerkt Grenouille, dass dies der Schlüssel zur Ordnung aller Düfte ist. Grenouille wird ein Duft zugeweht, ein Duftatom, noch weniger : eher die Ahnung eines Duftes : Instinktiv bemerkt Grenouille, dass dies der Schlüssel zur Ordnung aller Düfte ist. Der Gefühlskraft Jean-Baptiste Grenouille stellt an sich ungewohnte emotionale Regungen fest ihn überfällt eine ‚grässliche Angst‘, ihm wird ‚schlecht Aufregung‘ aus Furcht, diesen Geruch verlieren zu können.
Grenouille erkennt seine Bestimmung und hat ein Ziel vor Augen : er will ein Schöpfer von Düften sein, er will der größte Parfumeur aller Zeiten werden. Moralische Skrupel wegen der Ermordung des Mädchens hat er nicht, denn das Wertvollste, ihren Duft, bewahrt er in seinem Gedächtnis. (Matzkowki 2017 : 25)
Die Quelle des Geruchs ist ein junges Mädchen, das im Hinterhof Mirabellen entkernt. Weil Grenouilles Leben ohne diesen Duft ‚keinen Sinn mehr hat‘, will er diesen Geruch besitzen. Erwürgt das Mädchen und saugt seinen Geruch in sich hinein, bis er es ‚Welkgerochen‘ hat und überall von ihr ist. Grenouilles Leben ändert sich schlagartig ihm ist, als würde er neu geboren Grenouille wird sich seinem bisherigen animalischen Leben bewusst und erkennt seine wirkliche Bestimmung : die Welt der Düfte zu revolutionären. Er will ‚der größte Parfumeur Zeiten‘ werden. In der Mordnacht beginnt Grenouille damit, seine Millionen und Abermillionen von Duftbauklötzen in eine systematische Ordnung zu bringen. Der erste Mord ist in doppelter Hinsicht ein Schlüsselerlebnis für die zentrale Figur des Romans. Welch großen Einfluss der Mord auf Grenouilles weitere Entwicklung nimmt, wird u. a ; dadurch unterstrichen, dass Grenouille sich zum ersten Mal in seinem Leben nicht allein auf seine Nase verlässt, sondern seine Augen zu Hilfe nehmen musste, um zu geben, was er roch.
2.3. Gewalt der Gesellschaft
Schon Grenouilles Herkunft und Umstände seiner Geburt verweisen ihn in die untersten Schichten der Gesellschaft : Vier « Totgeburten oder Halbtotgeburten » (Parfum : S.8) gehen Grenouille voraus, er selbst wird im Abfall geboren, einen Tötungsversuch überlebt er wie durch ein Wunder, seine Mutter wird wegen mehrfachen Kindesmords hingerichtet. Ausführlich und faktengenau entwickelt Süskind die Überlebenschancen eines Findelkinds zur damaligen Zeit. Von der Sammelstelle für Findlinge in der Rue Saint-Antoine hätte ein Lastenträger. Wäre Grenouille getauft gewesen, den Säugling in ein Grossfindelheim nach Rouen gebracht. Dass « die Sterberate unterwegs außerordentlich hoch war » (Parfum : S.10), erwähnen auch zeitgenössische Chronisten : Auf dreißigtausend Neugeborene im Jahre 1780 sollen etwa sieben-bis achttausend Findelkinder entfallen sein, deren Aussetzung professionell betrieben wurde.
Dass « Findlingsheime « höchst fragwürdige Bewahranstalten » waren, in denen Krankheiten und Kindersterblichkeit furchtbare Verheerungen anrichteten, stellen auch moderne sozialgeschichtliche Untersuchungen fest. Wenn Süskind die, wie er sarkastisch formuliert, « Verlustquote » (Ebd., S : 27) der großen staatlichen und kirchlichen Findelhäuser auf « neuen Zehntel » und die Zahl der in Paris « produzierte [n] » (Ebd., S. 27) Findelkinder, Bastarde und Waisen mit zehntausend beziffert, befindet er sich Einklang mit der sozialgeschichtlichen Forschungslage. Die Unterkunft in einem Findelhaus bleibt Grenouille aufgrund der guten Laune eines Priors erspart, jedoch erweist sich die Betreuung durch eine private Ziehmutter als nicht weniger lieblos und gefährlich. In harten Wintern, so Madame Gaillard, könne die Mortalitätsrate immerhin auf vier von vierundzwanzig Zöglingen steigen, doch überlebt Grenouille nicht nur die fehlende emotionale Zuwendung, sondern auch Mordanschläge der ihm feindlich gesonnenen Mitzöglinge.
Auch in der weiteren Sozialisation Grenouilles häufen sich alle nur denkbaren Störfaktoren für die normale Entwicklung eines Kindes. Und das in einer Epoche, in der Rousseau in seinem Roman « Émile » bahnbrechende Thesen zu einer natürlichen, die Eigenart der kindlichen Psyche bewahrenden Erziehung entwickelt hat. Aus egoistischen Motiven heraus verkauft Madame Gaillard ihren Zögling Grenouille an einen Gerber, bei dem er « nach menschlichen Ermessen keine Überlebenschance » (Ebd., S. 38) besitzt. Eine Art Menschenhandel findet statt, bei dem die Rechtlichkeit des Geschäfts alles, die Humanität nichts bedeutet. Mit dem Erhalt des Geldes und einer schriftlichen Quittung entzieht sich Madame Gaillard ihrer Verantwortung.
Von nun an wirft bereits die räumliche Unterbringung Grenouilles ein grelles Licht auf die soziale Misere. Beim Gerber Grimal haust Grenouille in einem « seitlich an die Werkstatt gebauten Verschlag […], in dem Gerätschaften aufbewahrt wurden und ein eingesalzne Rohhäute » (Ebd., S.41), Baldini stellt für seinen Lehrling eine « Pritsche » (Ebd., S. 114) in die hinterste Ecke der Werkstatt, und noch in Grasse weist die Witwe Arnulfi dem Gesellen eine « Kabane » oder besser « einen fensterlosen Verschlag » (Ebd., S.220) im Olivengarten zu. Bei seinem Verkauf an den Gerber Grimal bemisst sich Grenouille Wert anschaulich an dem seiner Arbeitskraft. Er übernimmt Tätigkeiten für Gesindel, herrenlose Kinder und Herumtreiber : das « Entfleischen verwesenden Tierhäute, das Mischen von giftigen Gerb-und Färbebrühen, das Ausbringen ätzender Lohen » (Ebd., S. 37). In klagloser Anpassung sieht er seine einzige Überlebenschance. Die Reduktion seines menschlichen Wertes auf den materiellen Nutzen wird in dem Augenblick noch einmal deutlich ausgesprochen, in welchem Grenouille wider alle Erwartung den Milzbrand übersteht und künftig resistent ist : « Und weil er nun nicht mehr so leicht zu ersetzen war wie ehedem, stieg der Wert seiner Arbeit und damit seines Leben und damit der Wert seines Lebens » (Ebd., S.42)
Am Beispiel von Grenouilles Kindheit wird die soziale Misere der Deklassierten im Paris des 18. Jahrhunderts zwar den Quellen entsprechend und ihrer Inhumanität getreu präsentiert, es fehlt ganz der anklagende Ton des sozialen Engagements. Mitgefühl des Lesers kann kaum entstehen, den viel zu oft werden die harten Fakten durch pointierte Formulierungen ästhetisch überzogen, nehmen humoristische Episoden wie Pater Terriers religiöser Disput mit der Amme Bussie den sozialen Situationen einen Teil ihres Ernstes, Für die irritierende Beobachtung, dass die Alltagsmisere, das soziale Elend ganz ohne ersichtliches moralisches Engagement ästhetisch gestaltet wird, lassen sich mehrere Erklärung finden, die alle mit der Grundstruktur des Romans zusammenhängen.
Zum einen folgt der Erzähler, wo er nicht in deutlich erkennbaren, ausdrücklichen Kommentaren das Geschehen reflexiv begleitet, weitgehend der Wahrnehmung seiner Hauptfigur Grenouille. Da Grrenouille aber formale Bildung fehlt, ihm systematisierende Begriffe ebenso fremd sind wie genaueres Nachdenken, bleiben ihm auch die sozialen Zusammenhänge seiner zeit weitgehend verborgen.
Eine andere Erklärung für das erkennbare Fehlen eines sozialen Engagements ergibt sich aus der schon zu Beginn benannten zentralen Thematik des Romans : Nicht Mitleidapell oder soziale Anklage kündigt der Erzähler an, sondern die Biographie eines von der Geschichte vergessenen, den großen Männern seiner Epoche ebenbürtigen Genies. Außerdem dienen die Schilderungen menschlichen Elends in erster Linie der sozialen Kontextualisierung von Grenouilles Entwicklung. Kennzeichnend für die Entfaltung eines Genies ist es, dass es seinen Weg auch gegen widrige Umstände, auch in einer inhumanen Gesellschaft findet. Die Lieblose Umgebung, die Anschläge auf sein Leben, die gesundheitsgefährdende Schinderei bei Grimal, die fast tödlichen Krankheiten sind die Niederungen, aus denen sich Grenouille aufgrund seiner Willensstärke herausarbeitet. Die Bedrohungen des Klassifizierten sind somit erzähltechnisch ein notwendiger Kontrast zu dem sich abzeichnenden Duftgenie. Der Grundsatz entsprechend, dass stark mache, was nicht umwerfe, werden Grenouilles Entbehrungen zu existentiellen Prüfungen stilisiert, aus denen er jedesmal gestählt und voller Selbstgewissheit hervorgeht. « Er hatte gesiegt, denn er lebte », so wird seine Genesung vom Milzbrand kommentiert, « und er besaß ein Quantum von Freiheit, das genügte, um weiterzuleben. » (Ebd., S : 43) Die Schilderung sozialer Missstände dient somit vor allem als Kontrastfolie, als genau recherchierte, vor der der in sich selbst verkapselte Zeck Grenouille, auf bessere Zeiten wartend, sein olfaktorisches Genie trotz aller einschränkenden Fesseln entfaltet.
2.4. Kriminalroman
Im Ersten Teil der Geschichte passiert bereits Grenouilles erster Mord, doch im Vordergrund stehen hier dessen Lehrjahre, die bei Baldini absolviert werden. Auch der zweite Teil des Romans entfernt sich weit von der Gattung Kriminalroman und schildert Grenouilles siebenjähriges Leben in einer einsamen Höhle. Im dritten Teil der Geschichte setzt das Morden ein und der Autor wechselt wie in einem spannenden Krimi die Perspektive und wir wissen nicht, was Grenouille als Weiteres plant hat. Denn Im dritten Teil des Buches passieren insgesamt 25 Morde an jungen Frauen und auch weitere Aspekte lassen die Lesart als Kriminalroman zu : Es kommt zu Zeugenaussagen, die Nachforschungen auslösen, eine Ausschreibungen für eine Belohnung bei Hinweisen, die zum Fassen des Täters führen.
Zwar scheint die Anzahl der Jungfrauenmorde den mörderischen Untertitel des Romans allemal zu rechtfertigen, ausführlich beschrieben jedoch werden nur Zwei Morde, der erste und der letzte. Die übrigen 24 fasst der Erzähler in einem raffenden Bericht zusammen, wobei sein Augenmerk nicht auf den jeweiligen Tathergang, sondern auf die Reaktion der Bürger, die um sich greifende Angst, gerichtet ist. (Förster 1999 : 11)
Schließlich wird Grenouille als Mörder identifiziert und verhaftet, die Werkestatt, in der er seine Arbeit verrichtete, untersucht und seine Hinrichtung geplant. All diese sprechen für einen klassischen Krimi, wie wir ihn alle kennen. Viele Literaturrezensionen über Das parfum stellen sich außerdem die Frage, ob man der Gattung zuordnen könne :
Das ist ja nun wirklich ein höchst sonderbarer Fall-von Mord-wie geschaffen für eine spannende, leicht gruselige Detektivgeschichte : Die Verlockung des Stoffes ist so offenkundig, dass man sich zunächst wundert, wie der der junge Autor Patrick Süskind (BRD) sie ausschlagen konnte. (Gutschke 1987 : 14)
Die Gattung der Detektivgeschichte kann hier ausgeschlossen werden, denn nicht ein Ermittler, sondern der Mörder steht im Mittelpunkt. Es geht im Roman nicht um die Forschungsarbeit eines Detektives, sondern die Täter-Psyche steht im Vordergrund. Während in den traditionellen Detektivgeschichten ein Ermittler das Genie ist, stellt in Süskinds Roman der Hauptdarsteller Grenouille, den der Leser bereits auf der ersten Seite kennenlernt, das Genie dar. Wenn man Das Parfum als Kriminalroman liest, unterscheidet sich das Buch stark von klassischem Genre, denn Süskind scheint kein Interesse daran zu haben, seinen Lesern Momente voller Spannung zu bieten. Auch die erweckte Erwartung von « sex und crime », wird enttäuscht (Vgl. Frizen/ Werner 1994 : 760).
Denn wie erwähnt, ist Grenouille kein Lustmörder « Er schläft mit den Frauen. Er schläft bei ihnen auch nicht ein. […]. Er liebt die schönsten Frauenleiber nicht-und er hasst sie nicht. Sie sind ihm Träger einer nur zu erreichenden Substanz » (Stadelmeier 1985 : 55). Auch der Romancier selbst hat kein Interesse an einer Schilderung der Morde und es folgt eine nüchterne Aufzählung der gefundenen Frauenkörper :
« In Mai desselben Jahresfand man in einem Rosenfeld. […] die nackte Leiche eines fünfzehnjähriges Mädchen. Es war mit einen Knüppelhieb auf den Hinterkopf geschlagen worden. » (SÜSKIND, 1994 : 246-247) Oder : « Nicht lange nach Beginn der Jasminernte geschahen zwei weitere Morde. Wieder waren die Opfer zwei bildschöne Mädchen. […] » (Parfum : S.247)
Denn der Autor liefert dem Leser jedoch eine ausführliche Beschreibung des letzten Mordes und führt eine Detektivfigur ein. Es ist Antoine Richi, der die Rolle des Ermittlers übernimmt, um seine schöne Tochter Laure vor dem schrecklichen Mörder zu beschützen.
Der Leser, der Grenouille gut kennt, weiß sofort auch, dass es für das Mädchen keine Rettung gibt. Die Detektivfigur taucht viel zu spät auf, um wirklich handlungstragend sein zu können. Richi erscheint uns wie eine tragikomische Figur, die ihre eigene Intelligenz überschätzt, Grenouille wurde hingegen unterschätzt. (Barbetta 2002 : 111)
Richi konnte nicht wissen, dass es sich in diesem Fall nicht um einen normalen Mörder handelt, sondern auch um ein Genie, dessen Geruchsorgan ihm überall hinführen würde. Denn er hatte keine Chance, seine Tochter zu retten :
[…] denn immerhin war er Richi, es ja gewesen, der mit seinem feinen analytischen Verstand dem Gegner, auf die Schliche gekommen war […] Das er in der Lage war sich gedanklich in die Lage des künftigen Mörders zu versetzen, machte ihn dem Mörder nämlich haushoch überlegen. Denn der Mörder, das stand fest, war bei alle seiner Intelligenz gewiss nicht in der Lage, sich in Richis’Lage zu versetzen-und sei‘s nur, weil er gewiss nicht ahnen konnte, das Richi sich längst in seine, des Mörders Lage versetzt hatte. ( Parfum : S.260)
Wie schon erwähnt, werden auch Leser, die sich heimlich auf die Taten eines Lustmörders freuen, von Süskinds Roman angesprochen, was auf das Umschlagbild als auch auf eine klassische Erwartung von « sex and crime » zurückführen ist :
Auf der Ebene der Leserschaft, die den Roman zu spannenden Unterhaltung liest, zielen natürlich in erster Linie die Krimielemente ab. Der Roman um Jean Baptiste Grenouille reiht sich ein in die Gattung der Kriminalliteratur, charakterisiert typische Erzählelemente dieser Gattung auf, spielt zugleich mit dem Muster bekannter Vorlagen und präsentiert einen Serienmörder mit bizarren und außergewöhnlichen Profil. Frizen und Spancken schreiben über die Krimi-Aspekte des Romans :
Die Struktur, die ja auch der Untertitel verspricht, ist tatsächlich die des klassischen, regelrechten Kriminalromans : Der Mörder steht im Mittelpunkt und nicht der Detektiv, die Genese eines Verbrechens und nicht die Aufklärung eines Verbrechens, nicht der Denksport der Detektion, das rationale Kalkül, sondern die Durchleuchtung der Täter-Psyche, nicht der Detektiv ist das Genie, sondern der Mörder. SÜSKIND verschmäht es gleichwohl, aus seiner eigenen Idee Kapital zu schlagen : Dem Leser wird kein Verbrecher aus verlorener Ehre, kein vom verkorksten Unterbewussten getriebenes, Mitleid erweckendes Wesen vorgeführt, kein Täter durch die soziale Bedingtheit seines Handelns entschuldigt und zum Opfer erklärt (…). (Frizen/ Spancken 1998 : 42).
Schlussfolgerung
Schöne Frauen, wie sie der Umschlag erwarten lässt, spielen im Roma nur sekundäre Rolle, den der Protagonist Grenouille würdigt die 26 Jungfrauen, die er tötet, keines Blickes. Nicht an ihren Körper, sondern an ihren Duft interessiert. Er ermordet seine Opfer, um ihren Duft einfangen zu können. Dabei erfüllt Das Parfum verschiedensten Lesebedürfnisse, denn jeder kann die Geschichte von Grenouille auf eigene Art interpretieren, die verschiedenen Themen und Motiven enthüllen. In diesem Roman Das Parfum gibt es verschiedenen Gewaltsformen : Schon Gewalt bei der Geburt von Grenouille, sein Mutter will ihn töten, sie ist eine Kindsmörderin. Dann auch Misshandlung von Grenouille durch die Gesellschaft (verschiedene Ammen). Er arbeitet hart und charakterisiert als Zeck. Seit seiner Kindheit lebt in Gewalt und Misshandlung. Es handelt sich hier auch um einen Horrorroman (Kriminalroman), Schon Beim Kriminalroman sind wir uns Leser von Anfang an der Täter und das Verbrechen bekannt. Süskind verzichtet darauf, die Sozialisation des Täters größeren Raum zu gewähren, aus dem er kommt. Die Morde sind für ihn ein Mittel zum Zweck. Der tote Körper überschwemmt ihn dann mit Wohlgeruch, den er mit seiner Nase gierig aufsaugt.